3. Juni 2010

Filmkritik "Entsorgter Vater"

Film von Douglas Wolfsperger; Interview mit dem SWR1-Radio vom 10.06.2009

Da dieser Film schon im Vorfeld recht umstritten ist, ich zudem zu einem Interview beim SWR1 eingeladen wurde, um dort meine Sichtweise als nunmehr erwachsenes Scheidungskind das vaterlos aufwuchs, zu schildern, habe ich mich kurzerhand dazu entschieden auch auf meiner Homepage darüber zu berichten. Neben einer Filmkritik gibt es hier noch meine persönliche Meinung zum Film und unten einen Podcast (mp3-File zum anhören) der SWR1-Interviews zum Thema "Väter nach der Trennung".

„Der entsorgte Vater“ 

Filmkritik von der Berliner Morgenpost vom 10.06.09:



"DER ENTSORGTE VATER"
Männerlarmoyanz, die kaum zu ertragen ist
Donnerstag, 11. Juni 2009 04:00 - Von B. Schweizerhof

Ein Film, der das neue, frauenfeindliche Scheidungsrecht zu illustrieren scheint.
Geschiedene Frauen sind hier böse, rachsüchtig und egoman, denn sie nehmen den armen Vätern das Recht aufs Kind. Was aber diese weinenden Männer den Frauen angetan haben, ehe sie so wurden, wird verschwiegen. Was andere Frauen von ihren Ex-Männern erdulden, ohne die Kinder in den Konflikt hineinzuziehen, auch nicht.

Es ist buchstäblich vermintes Gebiet, das Douglas Wolfsperger mit dieser Dokumentation betritt. Wie bei kaum einem anderen Thema kochen die Emotionen augenblicklich hoch, wenn Väter sich darüber beklagen, dass ihnen nach der Scheidung der Umgang mit den eigenen Kindern von rachsüchtigen Exfrauen unmöglich gemacht wird, oft mit Unterstützung durch Gerichte und Jugendämter.

Wolfsperger hat das selbst erlebt und beim Streit um das Umgangsrecht mit seiner Tochter ist er auf weitere Väter mit ähnlichem Schicksal gestoßen. Ein paar davon hat er nun für diesen Film vor die Kamera geholt. Es fällt auf, wie Wolfsperger die Männlichkeit seiner Protagonisten besonders herausstellt:
Der Polizist erzählt von seinem Beruf, der Lehrer wird beim Holzfällen gezeigt, der Besserverdiener beim Segelfliegen. Fast hat man den Eindruck: damit auch ja niemand denkt, bei diesen Männern, die hier über ihre Gefühle reden, handle es sich um Weichlinge.

Die eigene Betroffenheit hat Wolfsperger also zum Ausgangspunkt und zur Methode seines Films gemacht und wie nicht anders zu erwarten, ist "Der entsorgte Vater" deshalb ein bewusst einseitiges Plädoyer geworden, eine Art wütender und zugleich sentimentaler Aufschrei gegen die Ungerechtigkeiten des praktizierten Scheidungsrechts. Die Leidensgeschichten, die die Väter hier enthüllen, sind in der Tat empörend und lassen den Zuschauer den Kopf schütteln über das Ausmaß an weiblicher Tücke, das hier gegen Vater-Kind-Glück zu Felde zieht. Am Ende des Films, in dem gestandene Männer zum Weinen vor der Kamera gebracht werden, ist man geradezu bereit, den anfangs von einem schwer gedemütigten Vater ausgesprochenen Appell zu unterstützen, die "Frauen auf den Mond zu schießen". Spätestens da aber merkt man, dass Betroffenheit nicht unbedingt die beste Ausgangslage dafür ist, mehr über ein Thema zu erfahren. Dieses "Mehr" aber könnte nur von der "anderen Seite" stammen, die hier an keiner Stelle zu Wort kommt - dazu sind die Fälle zu zerrüttet. Die eine Frau, die Wolfsperger auftreten lässt, benutzt er wie ein geschickter Anwalt als Zeuge der eigenen Sache, wenn er sie in die Aussage treibt, den Vater ihres Kindes nur als Erzeuger zu sehen. Der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen bleibt dabei: Was ist in den Beziehungen zu den Frauen geschehen, dass sie so enden?


Link zum Artikel




Meine persönliche Meinung zum Vater Wolfsperger und Film:

Da mich dieses Thema persönlich betrifft, habe ich mir nun so meine Gedanken als betroffenes Scheidungskind gemacht und weil es sich ja hier um einen persönlich motivierten Film mit eigener Sichtweise handelt, erlaube ich mir, auch meine persönliche Meinung hierzu zu äußern. Nach dem SWR1-Interview heute bin ich zu diesem vorläufigen Ergebnis (vor dem Filmstart) gekommen:

Wie in der Filmkritik bereits angeschnitten wurde, fehlt mir in seinem Film ein sehr wichtiger Faktor: eine objektive Betrachtungsweise, wo es sich doch um einen Dokumentarfilm handeln soll.

Ich habe seine Geschichte auch auf seiner Homepage nachgelesen (diese wurde leider zwischenzeitlich entfernt?!) und ich hatte das ungute Gefühl, dass er dort seine persönlichen Wutausbrüche und Unbeherrschtheit eher verharmlosen wollte. Mehr erweckt es bei mir den unschönen Eindruck, dass es ihm hauptsächlich darum ging, sich sein "Vaterrecht" unbedingt erstreiten zu wollen. Dieses Verhalten ist sehr menschlich und man sollte dann aber auch dazu stehen und nicht alles schönfärben zu wollen. Er ist nicht authentisch. Ebenso sein Film. Sehr wenig schrieb er auf seiner Seite z.B. über seine Tochter und gänzlich vermisst habe ich, wie er seine Tochter in all diesen Streitigkeiten sieht und wie sie sich wohl fühlen muss. Dass Richter diesen Vater dann erstmal beiseite nehmen, verwundert mich, aufgrund der Vorfälle, ehrlich gesagt nicht. Um es mit anderen Worten zu sagen: Wie wir wissen braucht es immer 2 Beteiligte zu einem Ehe-Streit und wenn Eltern hier nicht endlich lernen zu differenzieren, dass persönliche Belange nichts mit denen des Kindes zu tun haben dürfen, dann leidet das betroffene Kind so am meisten darunter.

Bei den Informationen die ich sammeln konnte, fehlt mir in erster Linie die wichtige Einsicht bei ihm, dass man mit dem einseitigen Verurteilen des anderen Elternteils nicht wirklich etwas zum Wohle seines Kindes erreichen kann und so sein Kind nur noch mehr belastet. Er zeigt in seinem Film nur eine Mutter, die in sein Konzept paßte um seine persönliche, subjektive Wahrnehmung untermauern zu können. Warum grenzt er die andere Seite in diesem Film aus? Meine Vermutung: Er selbst sagt ja, es wäre ein "Dokument für seine Tochter". Zudem äußert er: "Eigentlich weiß ich nicht, was ein Dokumentarfilm ist" (SWR1 Radiointerview vom 10.06.09). Ich frage mich nun berechtigterweise schon, warum er diesen Film nun unter diesem Deckmäntelchen Dokumentarfilm "verkaufen" will, obwohl der Film von vornherein diesem Anspruch nie gerecht werden konnte? Es hat wohl sehr viel mit den öffentlichtlichen Fördergeldern zu tun, die ihm sein Ex-"Kampfgefährte" und "Ikone der Männer-Rechtler" zukommen ließ. Wohlgemerkt, alle, auch alleinerziehende Mütter, haben diesen propagandistisch anmutendend "Spielfilm" mitfinanziert als förderungswürdigen "Dokumentarfilm".

Es geht aber bei alledem nicht wirklich um irgendeine Schuldfrage oder Selbsterkenntnis eines Herrn Wolfsperger. Vielmehr, meinte ich immer, es geht doch um das betroffene Kind selbst, was doch bei allen Streitigkeiten im Mittelpunkt steht, oder nicht? Leider wird genau dieser wichtige Aspekt in seiner Geschichte fast gänzlich außer Acht gelassen, was ich sehr bedauere, weil so hier nur die einseitige Sichtweise eines ausgegrenzten Vaters thematisiert wird. Seltsamerweise hat er seinen Homepageinhalt zwischenzeitlich geändert und seine eigene Schilderung herausgenommen. Wohl wegen der zunehmenden Kritik zum Film im Vorfeld und ich frage mich weiter, warum er mittlerweile nicht mehr zu seinen eigenen Aussagen stehen kann und sich mit jedem Interview wie eine Fahne im Wind dreht? Ich habe diese Vorgehensweise (nur hier als Neuauflage im Film) bereits in einigen Väter- und Mütter-Foren schon seit Jahren beobachten können (also diesen typischen Geschlechterkrieg), und wie wir ja alle wissen, hat sich nicht wirklich etwas positiv verändert seither.

Dieser Film wird zwar dieses Thema wieder ein Stück mehr in die Öffentlichkeit rücken, was es heißt, betroffener Vater zu sein, aber leider nicht mehr. Die wichtige Chance wurde verpaßt, alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen (eben betroffene Väter, aber auch die Mütter & Kinder). Eine ganzheitliche Dokumentation würde viel eher dazu führen, dass eine vernünftige Diskussion zum wirklichen Wohle der Kinder in diesem Lande in Gang gesetzt wird, wo alle Beteiligten sich wiederfinden können. Dies würde dann auch die wichtige Grundvoraussetzung schaffen, wieder neu aufeinander zugehen können, anstatt weiterhin auf das längst ausgediente Modell der "Grabenkriege" zu setzen, die die Scheidungskinder nur noch mehr zerreißen wird. Dieser Film reißt m.E. leider eher diese Gräben wieder auf, anstatt die längst notwendigen Brücken zu bauen...

emuc





SWR1-Radiointerviews zum Filmstart "Entsorgter Vater": 

Podcast DERABEND SWR1 10.06. Väter nach der Trennung
Mittwoch, 10. Juni 2009 22:00
Morgen läuft der Dokumentarfilm Der entsorgte Vater in den Kinos an. Regisseur Douglas Wolfsperger geht einem gesellschaftlichen Phänomen nach, das in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vorkommt: Männer, die nach einer Trennung von ihren Frauen nicht nur als Partner, sondern auch als Vater entsorgt werden und die - oft vergeblich - um die Beziehung zu ihren Kindern kämpfen. Vier Väter schildern in berührenden Interviews ihr Leid und ihre Bemühungen. Eine Mutter begründet die Umgangsverweigerung aus ihrer Sicht. Sind dies nur Einzelfälle oder sind die Väter tatsächlich häufig die Verlierer, wenn es um die Kinder nach einer Trennung geht? Wir diskutieren unter anderem mit:

* Douglas Wolfsperger (Regisseur von Der entsorgte Vater)
* Rainer Sonnenberger (von Väteraufbruch für Kinder e.V.)
* Jürgen Rudolph, Familienrichter in Cochem und Mitbegründer der
Cochemer Praxis
* emuc ( Schutzraum eSK Internetseite)

Hier kann der Podcast (mp3-File zum Anhören) abgerufen werden:

SWR1-Der Abend -Väter nach der Trennung (Podcast wurde leider vom SWR1 zwischenzeitlich entfernt!)

4 Kommentare:

  1. Thomas Sochart14 Januar, 2011 19:25

    Im Film: Obwohl der Vater sich Jahre lang ums Kind gekümmert hat, plant die Mutter einen sehr weiten Umzug und will das Kind mitnehmen. Der Vater geht zum Jugendamt und fragt, ob man etwas dagegen tun kann. Dort bekommt er einen Termin, bei dem er sich 15 Minuten lang von seiner Tochter verabschieden kann. Der Film dokumentiert die rechtliche Situation, in der sich viele Väter befinden.

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  2. Herzlichen Dank für Ihren Kommentar, Herr Sochart. Ich muss zugeben, ich habe diesen Film selbst nicht gesehen - auf den Inhalt könnte emuc sicher noch besser Bezug nehmen als ich.

    Natürlich sind die Umstände, unter denen Väter um Kontakt zu ihren Kindern kämpfen müssen, traurig und kompliziert. Ich finde, an diesem Umstand wird einmal mehr deutlich, wie wichtig es für ein Kind ist, dass die Beziehung zwischen den Eltern stimmt - und die Verantwortung dafür liegt ganz sicher in den Händen der Eltern, nicht in denen des Staates, des Rechtssystems oder auch sogar der Kinder. Natürlich ist es frommes Wunschdenken, durch ein bisschen Gesprächsbereitschaft ließen sich Marathonläufe durch die Justiz und die Ämterlandschaft verhindern. Aber was unabdingbar ist, ist die Bereitschaft der Eltern, sich zum Wohle des Kindes miteinander konstruktiv auseinanderzusetzen. Wenn diese Bereitschaft fehlt, ist eine klare Gesetzeslage hilfreich, und hier sind die Mütter sicherlich gegenüber den Vätern im Vorteil. Diese Tatsache muss zweifellos Gegenstand von Veränderungsbestrebungen im Rechtssystem sein.

    Da ich ihn nicht gesehen habe, kann ich nicht beurteilen, inwiefern der Vater einen Dialog mit der Mutter angestrebt hat. Natürlich ist es verständlich, dass sie das Kind mitnehmen möchte, wenn sie umzieht, zumal dann, wenn sie das Kind in der Hauptsache betreut hat. Aber es ist natürlich auch ihre Pflicht, mit dem Vater einen angemessenen Konsens zu finden, wie Besuche zu regeln sind, und zwar so, dass in erster Linie das Kind davon profitiert, nicht, um den persönlichen Wünschen des Vaters gerecht zu werden. Ich frage mich unter anderem auch, ob der Vater in der Lage wäre, das Kind bei sich zu behalten und sich in Vollzeit darum zu kümmern - an realistisch betrachteten Möglichkeiten und Bereitschaften scheitert es nämlich dann ganz häufig...

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  3. Das mit dem Umzug ist so eine Sache. Anscheinend hat die Mutter nur ihre eigenen Interessen im Sinn und denkt nicht an die Interessen des Kindes. Sie verwechselt oder vermischt ihre eigenen Interessen mit den Interessen des Kindes.

    Wer über eine größere Distanz umziehen sill, kann das gerne tun. Aber die Kinder mitnehmen geht nur mit dem Einverständnis des anderen Elternteils. Die Rechte der Mutter enden da, wo die Rechte des Vaters beginnen. Das Kind hat ein Recht auf beide Eltern.

    Der Mutter kann man sicherlich Vorwürfe machen, aber die Hauptschuld tragen die Professionellen, die diese Fehlentwicklung abgesegnet haben. Sie machen sich parteilich zu Komplizen der Mutter.

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  4. Ich stimme Ihnen insoweit zu, dass in diesem Land eine ungleiche Gewichtung im Bezug auf die Verteilung der elterlichen Sorgerechte wie auch Sorgepflichten zugunsten der Mutter herrscht. Ich denke aber, dass es wichtig ist, diese Ungleichgewichtung im Kontext der Geschichte zu sehen. Die Beteiligung der Väter an der Erziehung der Kinder ist noch relativ neu, und Sie dürfen bei alledem nicht außer Acht lassen, dass es die Frauen waren, die zu allererst die herrschenen Verhältnisse hinterfragt haben, die ihre Rolle als alleinige Verantwortliche für das Kindeswohl wie auch die Rolle der Väter als alleinige materielle Versorger der Familie vorschrieben. Es ist diese Rollenverteilung, die in der Gesellschaft wie sicherlich auch bei staatlichen Institutionen immer noch die Ansicht dominieren lässt, Kinder bräuchten in erster Linie bzw. ausschließlich die Mutter. Dass das nicht der Fall ist, darin stimme ich mit Ihnen voll und ganz überein. Ein Kind braucht beide Eltern, den Vater als Vater und die Mutter als Mutter. Beide Elternteile sind für das Kind unersetzlich.

    Dennoch sehe ich es auch so, dass viele Männer es sich insofern bequem gemacht haben, als dass sie vor irgendwelchen Scheidungs- oder Trennungsangelegenheiten nicht allzu viel Interesse an ihren Kindern zeigten und es dann plötzlich tun, wenn sie merken, sie können die Kinder als Instrumente in ihrem Scheidungskrieg verwenden. Ich behaupte nicht, dass das in dem genannten Fall so war, aber ich glaube, es kommt erheblich häufiger vor, als man denkt. Und dann ist es auch kein Wunder, wenn sich die Mütter, die zuvor die Hauptlast in der Erziehung trugen, gegen die plötzliche, wundersame Wandlung ihrer Ex-Männer bzw. -Freunde wehren. Was nicht bedeutet, dass ich das daraus resultierende Verhalten gutheiße - aber ich verstehe die mangelnde Bereitschaft der Mütter zu Kompromissen.

    In einer Sache möchte ich Ihnen indes gern widersprechen. Sie schreiben:

    Die Rechte der Mutter enden da, wo die Rechte des Vaters beginnen.

    Dass das viele Väter so sehen mögen, kann ich mir denken. Aber schon wieder gerät hier das Interesse des Kindes zugunsten der Interessen der Eltern aus dem Blick. Sie schreiben zwar im Anschluss, dass das Kind ein Recht auf beide Eltern hat, aber es ist doch generell erstaunlich, dass trotzdem immer von den Rechten der Eltern die Rede ist. So lange sich die betreffenden Eltern nicht aus dieser ich-fixierten Sichtweise lösen können, werden sie auch nicht in der Lage sein, das Kind als vollwertigen, von ihnen beiden abhängigen Menschen zu begreifen, dessen Bedürfnisse absolut im Vordergrund stehen müssen.

    Ich möchte es anders formulieren, wenn Sie gestatten: Die Rechte der Eltern auf was auch immer enden dort, wo die Rechte des Kindes beginnen. Wenn Eltern das im Kopf behalten, haben sie möglicherweise eine Chance, aus der gegenseitigen destruktiven Beschuldigung und der egozentrischen Sichtweise auszubrechen und statt dessen einen wirklich empathischen Blick auf das Kind und seine Bedürfnisse zu richten.

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